René Kamer

SKU 88 2007

«700 Partner und doch treu»

RailAway, der hierzulande führende Anbieter von Freizeitaktivitäten, gehört zu grossen Teilen den SBB. Je länger, desto mehr nabelt sich die agile Freizeit-Tochter von der Mutter ab, der Erfolg gibt diesem Prozess recht.

Zu den engsten Partnern zählen etwa das Zentrum Paul Klee, Schweiz Tourismus, Schweizer Radio DRS, Reckitt Benckiser, Ticketcorner, Pilatusbahnen, Verkehrshaus der Schweiz, Montreux Jazz Festival, Good News Productions AG und Swiss Indoors. Die Liste liesse sich beliebig fortsetzen, das heisst, bei 700 ist auch diese vollständig. 700 sind viel und es kristallisiert sich die Frage heraus, wer sich mit 700 – zumeist höchst potenten – Partnern ins (Business-)Bett legt.

Die Rede ist von RailAway, dem hierzulande führenden Anbieter von Freizeitausflügen im öffentlichen Verkehr mit Zusatzleistungen im Inland und nahen Ausland. Selbst wenn RailAway als Mutter die vor Kraft nur so strotzenden SBB hat, ist die erlangte Führungsposition in einer solchen mehr oder minder kurzen Zeit nicht selbstverständlich. RailAway ist noch nicht lange den Kinderschuhen entwachsen, hat man doch mit dem Geschäftsjahr 2010 erst eben das zehnte Jubilarjahr gefeiert.

Für die Strategie ins Boot geholt

Grund zum Feiern hat das Unternehmen aber vielmehr betriebswirtschaftlicher Warte aus. Dass die erfolgsbehaftete­ SBB-Tochter trotz anhaltender Wirtschaftselegie nicht in eine Depression stürzt, dafür sorgt auf der einen Seite das breit ausgeworfene Distributionsnetz von 450 (Bahnhofs-)Filialen. Auf der anderen Seite dürften eingangs erwähnte Partnerschaften und damit auch der Diversifikationseffekt zum Tragen kommen.

Dies reicht selbstredend kaum aus, um sich zum Marktführer zu wandeln. Die wohl wichtigste Komponente ist das Humankapital. Ohne den Faktor Mensch dürfte jedweder Erfolg etwa so gross sein, wie Jericho über dem Meeresspiegel liegt. Dreh- und Angelpunkt von RailAway sind die derzeit 62 Mitarbeitenden, allen voran Geschäftsführer René Kamer. Der Tourismusprofi dazu: «1999 wurden die SBB zur spezialrechtlichen AG. Mit der Umwandlung wuchs die Idee, einen Businessplan und ein neues Freizeitkonzept zu erstellen, um den sogenannten Modalsplit zu vollziehen.»

Er weiter: «Damit ist die Verlagerung vom Strassen- zum Schienenverkehr im Freizeitmarkt gemeint. Vor dieser Zeit war man noch nicht so weit respektive es fehlten Strategien. Im Rahmen eines auf vier Monate befristeten Projekts wurde ich ins Boot geholt, um ein Businessmodell zu entwickeln. Ich schloss unter anderem das vom SKU offerierte Advanced Management Program (AMP) ab.» Kamer, nicht ohne Stolz, themenabschliessend: «Dieses AMP hat mir enorm viel gebracht und so konnte ich das Erlernte gleich in die Praxis umsetzen. Es scheint zu funktionieren und ja, darauf fusst schliesslich RailAway.» Dass sich der amtierende CEO in diesem Umfeld wohlfühlt, überrascht nicht, immerhin wurde er quasi auf Schienen geboren, waren doch bereits sein Vater und zwei von drei Brüdern in selbigen Gefilden tätig.

Vater hin, Brüder her, René Kamer ist ein verdeutlichendes Beispiel dafür, dass Bahnangestellte nicht mehr Synonym für Gemütlichkeit und pastellfarbene Kurzarmhemden sind. Der zweifache Familienvater spiegelt durchaus den umtriebigen und weltoffenen Untenehmer. Dieser lagert nicht einfach die Füsse hoch und lässt sich zuoberst hängende Weintrauben zu Munde führen. Nein, dieser kämpft gegen widrige Marktumstände, zieht daraus seine Lehren und profitiert natürlich umgekehrt auch von Marktgegebenheiten.

«MIV» heisst der ärgste Konkurrent

RailAway, aus SBB-Konzernsicht ein Nischenplayer, hat schon immer eine gute Ausgangslage gehabt und wird es weiterhin haben. Schliesslich aber gilt es auch hier, dem ärgsten Konkurrenten, «MIV», das Wasser abzugraben. «MIV» ist das Akronym für «Motorisierter Individueller Verkehr». An der sich stets stärker in unseren Köpfen manifestierenden Nachhaltigkeit, Ökologie gehört hier dazu, stösst sich RailAway sicherlich gesund. Allerdings ist dies kein sakrosankter Erfolgsfakt.

Sakrosankt war früher nichts und es ist auch heute nichts sakrosankt. Entsprechend muss das Haus RailAway eine ausgeklügelte Strategie beheimaten, sodass die Weichen zukunftsweisend gestellt werden können. Diese fusst etwa auf Agilität und Authentizität. RailAway verzichtet auf seichte Effekthascherei, besinnt sich auf die Kompetenzen und schafft dadurch den positiven (SBB-)Imagetransfer. Die SBB haben es überdies verstanden, RailAway die notwendige operative Autonomie zu gewährleisten. Organisationsstrukturen sind denn auch schlank, Entscheidungs- und Handlungswege demnach kurz.

«Ich bin wohl eher ein dankbarer Typ»

CEO Kamer schätzt diese relativ neue Situation, kaum verwunderlich, überaus. Er ist sich bewusst und hat es schon oft erlebt, dass es mit einer derart starken Mutter zu (un-)wirtlichen Zielkonflikten kommen kann. Doch wer stellt sich denn schon in einen solch mütterlichen Schatten und läuft dadurch Gefahr, sich in die Nesseln zu setzen? Wer ist dieser René Kamer genau? Wie ist sein Führungsstil und wie viel Führungspersönlichkeit wurde ihm mit auf den natürlichen Weg gegeben?

Fragen über Fragen – die der Benjamin von sechs Geschwistern locker-sympathisch zu beantworten weiss: «In erster Linie freue ich mich, in einem derart privilegierten Umfeld arbeiten zu können. Wir haben beispielsweise spannende sowie zukunftsträchtige Partnerschaften und wir bewegen uns mit Freizeit in einem Wachstumsmarkt, der einerseits schweizlastig ist, anderseits viel mit Natur zu tun hat. Ich bin wohl eher ein dankbarer Typ, das heisst, ich muss nicht klotzen, tu lieber kleckern und schätze daher die uns offerierte Möglichkeit, das Geschäftsfeld Freizeit und Tourismus noch mehr weiterzuentwickeln. Stets versuche ich auch, meinen Mitarbeitern den Rücken zu stärken. Das Soziale ist mir wichtig.» Der 59-Jährige sieht ausserdem in sich den Wissensdurstigen, den Umsetzungsstarken: «Laufend bilde ich mich weiter. So etwa das bereits erwähnte AMP, das zehn Monate dauert. Sowohl AMP als auch SKU, der Anbieter, sind zwar nicht so bekannt, nichtsdestotrotz ist diese Weiterbildung etwas vom Besten, was mir bislang passiert ist.»

Kamer wirft Positives wie Negatives in die Waagschale: «Sicherlich, die Kosten belaufen sich auf einen tieferen fünfstelligen Frankenbetrag, und die Präsenzzeiten wie auch das Spannungsverhältnis Familie-Beruf-Weiterbildung sind nicht zu unterschätzen. Allerdings absolviert man ein Modul im Ausland, man geniesst viele Referate weltmännischer Wirtschaftsexponenten und kann darüberhinaus sein Netzwerk weiterstricken. Der Austausch mit unterschiedlichen Persönlichkeiten, die aus jeweils völlig anderen Industrien kommen, ist einzigartig.» Kamer abschliessend: «Die Praxisnähe habe ich ja bereits angedeutet.»

Wenn wir schon von Praxisnähe sprechen, können wir auch wieder zur Praxis zurückkehren. Welches nächste Husarenstück treibt uns künftig Freudentränen in die Augen? «Ein Primeur im Freizeitmarkt des öffentlichen Verkehrs wird der SBB-RailAway-Online-Freizeit-Webshop sein. Im Sommer 2012 ist dieser marktreif. Der Kunde kann dann nicht nur SBB-Tickets online kaufen und bei Bedarf zu Hause ausdrucken, sondern auch gleich die RailAway-Zusatzleistung für sein Freizeitvergnügen.»

Text: Cyril Schicker

René Kamer

ist Geschäftsführer von RailAway AG, einem Freizeitanbieter, der zu 86 Prozent den SBB gehört. Der Vater zweier Töchter wurde vor zehn Jahren ins Boot geholt, um RailAway aufzubauen und zu etablieren. Kamer zeichnet seither für ein beispielloses Wachstum, aus verschiedener Sicht, verantwortlich. Den Erfolg verdankt er unter anderem seinem menschlichen Führungsstil, ebenso seinem steten Wissensdurst.

RailAway – Zehn erfolgreiche Jahre

Seine erste Dekade hat das den SBB zugehörige Unternehmen mit dem abgeschlossenen Geschäftsjahr 2010 hinter sich gebracht. Rail Away, eine wahre Erfolgsgeschichte, ist nun der führende Anbieter von Freizeitausflügen mit Zusatzleistungen im Inland wie auch nahen Ausland. Die SBB-Tochter operiert mit ihren 62 Mitarbeitern vom Hauptsitz in Luzern aus, verfügt über eine weitere Filiale in Lausanne und Lugano und erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Umsatz von 74 Millionen Franken. In den kommenden fünf Jahren ist mit der neuen Strategie eine Steigerung von insgesamt 26 Millionen anvisiert. RailAway greift mit diesem Ziel nicht überambitioniert nach den Sternen, verfügt das zehnjährige Unternehmen doch über Verkaufsstellen in 450 Bahnhöfen und kann ausserdem auf ein 700 Partner umspannendes Netzwerk im Tourismus- und Veranstaltungsmarkt zugreifen. RailAway ist preis­gekrönt (Tourismuspreis Milestone 2005) und agil – die Weichen scheinen optimal gestellt zu sein.